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Man muss unterscheiden zwischen den Wirkungen, die man bei einem Kurzzeitdehnen erzielt, und denen, die man mit einem regelmäßigen, mehrwöchigen Dehnen erreicht (a, b). Während man beim Krafttraining unmittelbar einsieht, dass ein einmaliges Training direkt im Anschluss zu einer Kraftabnahme und ein mehrwöchiges Training zu einer Kraftzunahme – also zu unterschiedlichen Wirkungen führt, ging und geht man auch heute noch oft davon aus, dass beim kurzfristigen und beim mehrwöchigen Dehnungstraining bei allen Kennwerten gleiche Wirkungen erreicht werden, ein Denkfehler, wie sich z. B. beim dritten Kennwert zeigt.

Tab. 1: Kurzfristige und langfristige Effekte von unterschiedlichen Dehnmaßnahmen. : keine Veränderung. ?: Untersuchungsergebnisse liegen nicht vor (verändert nach Klee & Wiemann, 2012, S. 51).

    Kennwerte 1-7

a) Kurzfristige Effekte
nach Kurzzeitdehn. (10-20 mn)

b) Langfristige Effekte
nach mehrwöchigem Dehnen

1. Bewegungsreichweite

+ 8%

+ 15%

2. max. Dehnungsspannung

+ 23%

+ 30%

3. Ruhespannung

- 20%

, bzw. + 13%

4. Maximalkraft

- 7%

, bzw. + 13%

5. Schnellkraftleistung

- 5%, intensives statisches Dehn.
, dynamisches Dehnen

Zunahme

6. Verletzungs-

Alle Verletz

(- 5%, „23 Jahre“)

?             (lang- u. kurzfristig kaum

    prophylaxe

Musk.verletz.

Abnahme (- 25-50%, 5-9 Jahre)

? (vermutl. Abn.)         zu trennen)

7. Muskelkater

, Zunahme

? (vermutlich Abnahme)

Ruhespannung Dehnen

1a, b) Sowohl kurzfristige Dehnprogramme als auch Langzeitdehnen über mehrere Wochen vergrößern die BRW. Diese Wirkung bleibt viele Minuten bis zu einer Stunde, nach einem Langzeitdehnprogramm sogar wochen- bis monatelang bestehen. Beides führt über einen vergrößerten Beschleunigungsweg z. B. zu einer Erhöhung der Schlaggeschwindigkeit beim Tennis.

2a, b) Da in beiden Fällen auch die maximale Dehnungsspannung steigt, kann gefolgert werden, dass größere BWR erreicht werden, weil man sich intensiver dehnt, bzw. dehnen lässt, d. h. mit mehr Kraft, so dass die Steigerung der BRW durch eine gesteigerte Toleranz gegenüber dem Dehngefühl(schmerz) zu begründen ist.

3a) Im Verlauf einer Dehnung nehmen die Dehnungsreflexe zu, d. h. der Muskel kontrahiert. Da sich die Ruhespannung im maximalen Dehnbereich nicht von diesen Kontraktionsspannungen trennen lässt, wird die Ruhespannung in einem mittleren Dehnbereich gemessen.

Wie sich gezeigt hat, sinkt die Ruhespannung im Verlauf der ersten fünf Dehnungen ab und bleibt dann aber etwa konstant. Dieser Effekt, der zu einer Absenkung um bis zu 20% führt, ist nach vier Minuten wieder um ein Fünftel, nach 15 Minuten bis auf die Hälfte und spätestens nach 60 Minuten völlig abgeklungen.

b) Wird die Ruhespannung nach einem mehrwöchigen Training nach einer entsprechenden Pause gemessen, ist diese nicht reduziert. Je nach Intensität des Dehnungstrainings tritt sogar eine erhöhte Ruhespannung auf. Dies lässt sich dadurch erklären, dass die Dehnbelastung zu einer Hypertrophie des Muskels geführt haben könnte, da die reflektorischen Kontraktionen beim Dehnen einem Krafttraining gleichkommen.

4a, 5a) Intensives statisches Dehnen führt zu Leistungseinbußen bei der Maximalkraft von bis zu 7% und bei Sprungtests von bis zu 5%. In den letzten Jahren zeigten aber andere Studien, dass sich weder dynamisches Dehnen noch ein statisches Dehnen von 4 mal 15 Sekunden leistungsmindernd auswirken und dass Pausen und Schnellkraftübungen die Leistungseinbußen infolge von intensivem statischem Dehnen wieder ausgleichen.

b) Langfristiges Dehntraining führt nicht zu einer Abnahme der Maximal- und Schnellkraft, wie angenommen wurde. Teilweise zeigt sich eine Zunahme. Dehnungstraining kann demnach auch Entwicklungsreize für die Muskulatur setzen.

6a) Das stärkste Argument für ein Dehnen beim Aufwärmen war traditionell die Verletzungsprophylaxe, die aber in den letzten Jahren in Frage gestellt wurde. In entsprechenden Studien wurden aber vor allem Verletzungen des passiven Bewegungsapparates untersucht (z. B. Ermüdungsbrüche), bei denen mit einer Reduzierung von 5% dann nur ein kleiner Effekt nachgewiesen wurde. Dies führt dann zu dem vielzitierten Satz, dass man 23 Jahre dehnen muss, um eine Verletzung zu vermeiden. Betrachtet man man Muskel- und Sehnenverletzungen, so zeigt sich ein größerer Effekt, nämlich dass man 25-50% dieser Verletzungen mit einem Dehnen beim Aufwärmen verhindern kann. Diesen Zahlen zufolge kann man eine Muskelzerrung in fünf bis neun Jahren vermeiden.

 b) Da bei allen Studien zur Wirkung des Kurzzeitdehnens durch die regelmäßige Wiederholung auch langfristige Effekte auftraten, können die Wirkungen des Kurz- und des Langzeitdehnens nicht getrennt werden, so dass es sich bei der Reduzierung der Muskelverletzungen auch um langfristige Effekte handeln könnte, die man aus möglichen Wachstumsprozessen ableiten könnte.

7a) Die Forschungslage ist hier eindeutig, Muskelkater kann nicht durch Dehnen vor oder nach einer Belastung vermieden werden. b) Von einem Langzeitdehnen ist eine Reduktion zu erwarten, entsprechende Studien fehlen.

Quelle: Klee, A. & Wiemann, K. (2012). Dehnen - Training der Beweglichkeit. Schriftenreihe Praxisideen, 2. erweiterte Auflage, Schorndorf: Hofmann, S. 45-62.

Klee, A. (2013): Update Dehnen. Sportunterricht 62, 5: 130-134. Zusatzmaterial

Klee, A. (2017). Beweglichkeit und Beweglichkeitstraining. In: Hottenrott, K. & Seidel, I. (Hrsg.).Handbuch Trainingswissenschaft/Trainingslehre. Hofmann, Schorndorf. S. 225-239.

Informationsblatt für Schüler Wirkungen von Dehnen