Circuit Training exercise Zirkeltraining Übung Da die Wirkung des Dehnens als Verletzungsprophylaxe in den letzten Jahren in Frage gestellt wurde, rückte eine andere Möglichkeit der Verletzungsprophylaxe in den Fokus, das Propriozeptive Training (Propriozeptionstraining, Sensomotorisches Training), ein koordinatives Training auf instabilen Untergründen wie Weichmatten, Schaumkissen, Trampolinen oder Wackelbrettern. Ziel ist vor allem, Reflexe zu schulen und so Gelenkverletzungen z. B. im Sprunggelenk zu vermeiden, z. B. ein Umknicken. Z. T. haben die Übungen aber auch ein kräftigenden Effekt für die gelenkstabilisierende Muskulatur.

Während das Dehnen also die Reduzierung von Muskelverletzungen zum Ziel hat, ist es beim Propriozeptiven Training die Reduzierung von Gelenkverletzungen. Es sind also Trainingskonzepte, die sich nicht ausschließen.

Ein Beispiel einer solchen Untersuchung ist die folgende Dissertation.

Rebholz, Sandra (2010). Ein integratives Trainingskonzept zur Verletzungsprophylaxe im Handball: eine prospektive kontrollierte Interventionsstudie. Dissertation, Universität Konstanz.

Übung 185 aus dem Buch „Circuit-Training“, S. 81

 

Problemstellung:

Aktuelle Statistiken zu Sportverletzungen zeigen, dass Handball zu den verletzungsträchtigsten Sportarten zählt. Die topographische Verteilung der Verletzungen zeigt die starke Gefährdung der unteren Extremität. Eine aktive Unterstützung der stabilisierenden Strukturen zur Absicherung der Gelenksysteme ist zur Verletzungsprophylaxe unerlässlich. Propriozeptive Übungen werden bislang allenfalls additiv als eigenständige Maßnahmen neben dem sportartspezifischen Training genutzt.

In der vorliegenden Studie wurden propriozeptive Trainingsmaßnahmen in handballspezifische Übung eingegliedert, um so zu einer Reduktion der Verletzungsinzidenz der gefährdeten unteren Extremität beizutragen. Auf diese Weise wird der Trainingsumfang nicht gesteigert. Ziel der Studie war festzustellen, ob sich ein integratives handballspezifisches Propriozeptionstraining im leistungsorientierten Trainingsalltag etablieren kann (Compliance) und welche Auswirkungen es auf subjektives Stabilitätsempfinden und Verletzungsinzidenz der unteren Extremität hat.

Methodik:

Sechs Damen-Regionalliga-Teams (n=59) wurden randomisiert in eine Interventions- (IG; n=38) und eine Kontrollgruppe (KG; n=21) eingeteilt. Die Spielerinnen der IG nahmen in der Saison 2007/2008 an einem achtwöchigen integrativen Trainingsprogramm teil. In die reguläre Sportpartizipation wurden, durch eine interaktive Übungs-CD angeleitet, propriozeptive Trainingsreize integriert, während die KG ausschließlich handballspezifisch trainierte. Die Zielparameter wurden durch ein Prä-Post-Studiendesign erhoben. Als Messinstrumente der Hauptzielparameter dienten für die Verletzungsinzidenz ein Telefoninterview, für das subjektive Stabilitätsempfinden die modifizierte Borg Skala, für die Compliance ein Trainer- und Spielerfragebogen und für die Gleichgewichtsfähigkeit die Posturographie. Zusätzlich testete ein handballspezifischer Koordinationstest die sportmotorischen Auswirkungen als möglichen Nebeneffekt eines sensomotorischen Trainings.

Ergebnisse:

In der IG konnte die Anzahl an Verletzungen der unteren Extremität von 26 in der Kontrollsaison (06/07) auf 14 in der Interventionssaison (07/08) verringert werden.

 

Saison 06/07

Saison 07/08

Gruppe

Gesamt

Sprunggel.

Kniegelenk

Gesamt

Sprunggel.

Kniegelenk

IG

n=38

26

20

6

14

11

3

KG

n=21

8

7

1

7

4

3

Die signifikante Reduzierung der Verletzungsanzahl gegenüber der KG (Z = -2,06; p = .039) sichert die Effektivität des vorliegenden integrativen Propriozeptionstrainings. Die signifikante Verbesserung des subjektiven Stabilitätsempfindens der IG lässt sich statistisch nicht mit Sicherheit auf das integrative Konzept zurückführen. Die Compliance wird durch die kontinuierliche Durchführung des integrativen Propriozeptionstrainings über acht Wochen sowie den Anspruch von Trainern und Spielerinnen das Interventionsprogramm weiterhin zu nutzen bestätigt.

[Kommentar: Diesen Zahlen zufolge würde ein einzelner Sportler durchschnittlich in 3,2 Jahren eine Gelenkverletzung durch das Propriozeptive Training vermeiden (vgl. den Menüpunkt „Verletzungsprophylaxe“: Durch Dehnen kann ein einzelner Sportler durchschnittlich in fünf bis neun Jahren eine Muskel- oder Sehnenverletzung vermeiden.]

Ausblick:

Die Studie bestätigt die Wirksamkeit des integrativen Propriozeptionstrainings. Die modifizierten Übungen der Trainings-CD tragen bei regelmäßiger Anwendung von lediglich zwei Übungen pro Einheit zur Verletzungsprophylaxe bei. Der Transfer des vorliegenden Konzepts in weitere Ballsportarten ist denkbar und könnte so eine größere Anzahl von Sportlern vor Verletzungen der unteren Extremität schützen.

 

Eine aktuelle Übersicht liefern:

Zech A, Hübscher M (2012). Sensomotorisches Training zur Prävention von Sprunggelenksverletzungen. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 5-8. 

Distorsionen des Sprunggelenks mit Verletzungen der lateralen Bandstrukturen zählen zu den häufigsten und komplikationsreichsten Sportverletzungen. Der Verletzungsprävention kommt deshalb aus medizinischer und sozioökonomischer Sicht besondere Bedeutung zu. Erfolgreiche präventive Strategien müssen dabei an den wichtigsten Risikofaktoren ansetzen. Insbesondere eine frühere Verletzung und damit einhergehende Störungen der sensomotorischen Kontrolle erhöhen das Risiko für weitere Verletzungen, chronische Schmerzen und/oder Gelenkinstabilitäten.

Im Rahmen der primären Prävention und Rezidivprophylaxe betonen deshalb zahlreiche Autoren die Notwendigkeit sensomotorischer Trainingsprogramme. Ziel der Übersichtsarbeit ist es, die aktuelle Evidenz zur Wirksamkeit sensomotorischen Trainings in der primären und sekundären Prävention von Sprunggelenksverletzungen darzustellen. Anhand der Ergebnisse systematischer Übersichten und Meta-Analysen kann von einer 36%-igen Reduktion des Verletzungsrisikos durch Balancetraining und einer 50%-igen Reduktion durch kombinierte Programme (z.B. Balance-, Kraft-, Sprungtraining) ausgegangen werden. Differenziertere Aussagen zur Wirksamkeit im Rahmen der primären bzw. sekundären Prävention sind aufgrund unzureichender Berichterstattung in den vorliegenden Publikationen nur bedingt möglich. Anzunehmen ist ein stärkerer präventiver Effekt bei Personen mit früherer Verletzung. Weiterführende Studien sollten die Alltagswirksamkeit des sensomotorischen Trainings in der Sportpraxis unter Berücksichtigung von Aspekten der Compliance oder Adhärenz sowie mögliche Dosis-Wirkungszusammenhänge prüfen.